
Aargauer BauPOLIT-Talk 2021
Spannungsfeld Politik und Baubranche

Nach der Begrüssung durch Martin Kummer, Präsident baumeister verband aargau, und André Crelier, Präsident bauenaargau, übernahm Simone Steiner. Die Moderatorin leitete direkt zur Vorstellungsrunde weiter. Mit den sieben namhaften Vertreterinnen und Vertretern aller politischen Parteien, die im Aargauer Parlament mit einer eigenen Fraktion vertreten sind, war die Runde bestens repräsentiert und es entwickelte sich ein interessanter Talk.
Eine Frage stand besonders im Zentrum: Wieso schaffen es die Bauunternehmer, im Gegensatz zu den Bauern nicht, ihre Branche gemessen an ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Politik wirkungsvoller zu vertreten? Gemäss Colette Basler «könnte dies damit zu tun haben, dass sich die Bauern seit Generationen gewöhnt sind, sich zu wehren und für ihre Anliegen einzustehen.» Für Robert Obrist heisst das Zauberwort gezielte «Priorisierung»: Nur so schafft man es, Beruf, Familie und Politik unter einen Hut zu bringen. Jeanine Glarner wies auf die Folgen hin: «Solange die Baubranche nicht vermehrt in der Politik Einsitz nimmt, kann sie sich nicht wie gewünscht Gehör verschaffen.» An die Adresse des baumeister verbands aargau gerichtet, rief Désirée Stutz auf, Interessengruppen zu bilden und bei wichtigen Geschäften gemeinsam aufzutreten. Uriel Seibert erachtet es als nicht so schlimm, wenn Bauunternehmer nicht aktiv in einem Amt politisieren, denn «man kann sich auch passiv an der Politik beteiligen.» Barbara Portmann-Müller sieht einen anderen Lösungsansatz: «Firmen sollen Mitarbeitenden, die sich aktiv in der Politik engagieren wollen, eine Reduktion des Arbeitspensums ermöglichen.» Robert Obrist nannte einen weiteren Weg, wie man in der Politik Einfluss nehmen könnte, ohne an vorderster Front aktiv zu sein: «Ist man nicht einverstanden, hat man die Möglichkeit, eine Initiative zu lancieren.»
Fördergelder bei Sanierungen
Die Frage, ob Fördergelder nur für die energetische Optimierung von bestehendem Wohnraum oder auch für Ersatzneubauten ausbezahlt werden sollen, wurde von Alfons P. Kaufmann bejaht. Er hofft zudem, dass die Kriterien für die Auszahlung nicht ständig ändern und die Gelder nicht im Giesskannensystem ausbezahlt werden.
Die Baumeister könnten sich das Szenario vorstellen, dass bei verdichtetem Bauen die Ausnützungsziffer im Raumplanungsgesetz erhöht werden könnte. Dies würde das verdichtete Bauen in den Städten erleichtern. Demgegenüber wird eine Zunahme der Einsprachen befürchtet. Gemäss Jeanine Glarner würde der Anstieg der Einsprachen viele Gemeinden vor administrative Herausforderungen stellen.
Der Abbruch der Verhandlungen mit der EU sowie COVID-19 haben gemäss den Podiumsteilnehmern spürbare Auswirkungen auf die Baubranche. Alfons P. Kaufmann wies auf die unterbrochenen Lieferketten hin, die zu Engpässen und steigenden Preisen bei Baumaterialien führen. Eine weitere Folge davon ist ein Fachkräftemangel.
Der Baumeisterverband Aargau ist glücklich, dass im Kanton Aargau seit dem 1. Juli 2021 das neue kantonale Beschaffungsrecht gilt. Der Wechsel – weg vom Preis – hin zur Qualität ist jetzt bei öffentlichen Ausschreibungen konsequent umzusetzen. Diese Anpassung wurde von den Podiumsteilnehmern unterstützt.
Berufsnachwuchs
Eine schwierige Baustelle für die gesamte Baubranche ist die Rekrutierung von Lernenden. Uriel Seibert machte darauf aufmerksam, dass die meisten Schulfächer zu kopflastig seien und das Arbeiten mit den Händen viel zu kurz komme. Doch weshalb entscheiden sich zu wenig Schüler für eine Karriere auf dem Bau? Die Talkgäste waren sich einig, dass die Baubranche ihre Vorzüge viel zu schlecht verkauft. Barbara Portmann-Müller schilderte eine interessante Beobachtung: «Viele Zuzüger aus dem Ausland kennen die Vorzüge und Möglichkeiten unseres Bildungssystems, wie z.B. eine Berufsmatura, nicht.» Eine Folge der fehlenden Nachwuchskräfte ist, dass die personellen Abgänge infolge Pensionierung bei Weitem nicht kompensiert werden können.
In der Schlussrunde fragte Simone Steiner, wie die Talkgäste privat wohnen. Aus den Antworten erfuhren die Zuhörer des Aargauer Baupolit-Talks, dass das Spektrum vom Bauernhaus bis zur Mietwohnung reicht.
Die Talkgäste waren:
- Colette Basler, Grössrätin, Co-Fraktionspräsidentin SP
- Jeanine Glarner, Grossrätin, Fraktions-Vizepräsidentin FDP
- Alfons P. Kaufmann, Grossrat, Fraktionspräsident Die Mitte Aargau
- Robert Obrist, Grossrat, Fraktionspräsident Grüne Aargau
- Barbara Portmann-Müller, Grossrätin, Fraktionspräsidentin Grünliberale
- Uriel Seibert, Grossrat, Fraktionspräsident EVP Aargau
- Désirée Stutz, Grossrätin, Fraktionspräsidentin SVP